Endlich wieder Montag. Es ist der 03. Juni 2019 aber ich hatte ja zum Glück Urlaub. Also stand ich nach dem Ausschlafen gaaanz gemütlich auf und zog mich an. Im Preis der Hotelübernachtung inbegriffen war auch ein reichhaltiges Frühstück, das ich mir vor dem großen Ansturm genehmigte. Brötchen, Müsli, Obst… alles was das Herz, und der Magen, begehrt. Zurück auf dem Zimmer verstaute ich meine Sachen und bereitete mich auf meine nächste Etappe vor. Die Sonne lachte und nur wenige Wolken zogen über den Himmel.
Mein Fahrrad wurde die Nacht sehr gut bewacht. Es war noch alles an Ort und Stelle dank der Wache in Statuenform.
Jäger der verlorenen Postkarte
Gegen 8 Uhr machte ich mich abfahrbereit und suchte als erstes nach ein paar Postkarten. Erste Station Touri-Info. Geschlossen. Öffnungszeiten ab 10 Uhr. So lange wollte ich hier nicht rumhängen. Also klapperte ich ein paar Geschäfte ab. Im nächsten Supermarkt nur Geburtstagskarten. Ein paar Straßen weiter waren einige Kioske bereits offen, aber außer Getränken und Knabberzeugs war dort nichts zu finden. Als ich nach einer Post oder etwas ähnlichem fragte, wurde ich zu einem Zeitungsladen auf dem Marktplatz gelotst. Also fix aufs Rad und hingeradelt. Aber, ihr ahnt es, Fehlanzeige. Wer hätte gedacht, dass es so schwer ist Postkarten zu bekommen. Egal, ich suchte mir den Punkt, an dem ich am Tag zuvor, den Kattegattleden verlassen hatte und setzte meine Tour fort.
Endlose schwedische Landschaften
Auf den ersten Kilometern teilt sich der Kattegattleden den Weg mit dem Tylösandleden. Dieser Radweg verbindet Halmstad mit Tylösand und das jeweilige Umland miteinander und führt wieder an einigen gutbesuchten Golfplätzen vorbei. Den Kopf musste ich zum Glück nicht einziehen, weil die Spieler mehr damit beschäftigt waren ihre Golfsäcke hinter sich herzuziehen, als Bälle durch das grüne Schweden zu schlagen. Danach ging es erstmal an endlosen Wiesen und Feldern, in denen sich immer mal Rehe oder Hasen versteckten, vorbei. Der Wind war an diesem Tag gnädig mit mir und die Wolken der Nacht waren fast spurlos weitergezogen. Nur vereinzelt hat sich noch etwas Wasser in einer Pfütze am Wegesrand gesammelt. Die Dörfer, die ich passierte, lagen still und leise am Wegesrand und wenn nicht ab und zu einer dieser kleinen Mähroboter durch die Vorgärten gefahren wäre, könnte man meinen, es wohnt tatsächlich niemand mehr dort. Nur die viele Briefkästen an den Kreuzungen zeugen von den Bewohnern.
Am späten Vormittag machte der Radweg, der bisher immer mehr oder weniger in Sichtweite der Küste verlief einen Knick ins Landesinnere. War nicht das erste Mal und ich dachte mir, wird schon seinen Grund haben, also strampelte ich die Hügel hinauf bis ich etwa eine halbe Stunde später eine alte Steinbrücke erreichte. Hier legte ich gleich mal eine Pause ein, nutzte das schöne Motiv für ein paar Fotos und sammelte ein paar Kräfte für die noch vor mir liegende Strecke. Nach etwa 20 Minuten stieg ich wieder auf mein Rad und radelte zügig weiter nach Falkenberg. Dort kam ich gegen Mittag an und machte mich auch gleich auf die Suche nach etwas Essbarem.
Mittagsschreck und Trostfutter
Als ich gerade einen Kreisverkehr verlassen hatte, gab es hinter mir einen mörderischen Knall! Erschrocken stoppte ich das Fahrrad, Passanten schauten sich erschrocken um, Autos hupten. Kurz vor einer Straßenlampe kam ich zum Stehen und sah mich ebenfalls um. In dem Kreisverkehr, den ich wenige Sekunden zuvor noch passiert hatte, war einem LKW, der einen Überseecontainer geladen hatte, einer der Reifen geplatzt, um nicht zu sagen explodiert. Zum Glück war kein Fußgänger oder Radfahrer in der Nähe gewesen, derjenige wäre sonst bestimmt umgehauen worden. Der LKW kroch im Schneckengang aus dem Kreisverkehr und die Fußgänger auch langsam weiter. Einige rieben sich nochmal die Ohren, denn der Knall hatte ein tüchtiges Klingeln im Ohr hinterlassen. Auch aus der nahegelegenen Pizzeria waren Kellner neugierig herausgekommen und schauten sich um. Und da ich eh Hunger hatte, kehrte ich auch gleich in dieser ein und bestellte mir eine große Pizza auf den Schreck. Durchs Fenster sah ich, dass kurze Zeit später die Stadtreinigung anrückte und die Überreste des LKW-Reifens einsammelte. So war nach meiner etwa 45-minütigen Mittagspause schon nichts mehr zu sehen von dem Vorfall.
Halbzeit
Kurze Zeit später war ich auch wieder auf dem Kattegattleden unterwegs und nachdem ich eine weitere schöne Steinbrücke überquert hatte, stand am Wegesrand einsam und verlassen ein kleiner Wegweiser, der mir verriet, dass die Entfernung zu meinem Zielpunkt in Göteborg erstmal kleiner war, als zum Start des Kattegattleden. Oder anders gesagt: Ich hatte bereits ein wenig mehr als die Hälfte meiner Tour hinter mir. Gut gelaunt radelte ich von hier weiter meinem Ziel entgegen. Ich fand es nur ein wenig schade, dass nicht auf den Halbzeitpunkt hingewiesen wird. Das würde sicher viele Radler auf dem Radweg zu einem Selfie mit breitem Grinsen verführen.
Von Falkenberg bis zu meinem Ziel für den Tag war es gar nicht mehr so weit. Aber der blaue Himmel vom Vormittag hatte sich hinter einigen Wolken versteckt, die mit der Zeit immer dunkler wurden. Da kam mir ein Farbklecks in der Landschaft gerade recht. Im Internet hatte ich schon zahlreiche Bilder davon gesehen und vermutete bereits, dass dieses lustige Häuschen abseits des Weges lag, wodurch ich es verpasst hatte, aber nein! Plötzlich leuchtete die kleine Touristeninfo von Morup am Wegesrand und lud zu einer kurzen Rast ein. Das am 3. Juni auch der europäische Tag des Fahrrads ist, habe ich während der Pause recherchiert und fand es ganz passend, dass ich auf großer Fahrradtour war. Leider war niemand weiter da, mit dem ich hätte feiern können, denn die kleine Touristeninfo ist nicht besetzt. Ein oder zwei Fotomotive war sie mir trotzdem wert.
Die restlichen Kilometer bis Varberg legte ich dann überwiegend auf Landstraßen zurück. Da musste ich ein wenig aufpassen, denn auch wenn es dort nicht so hektisch wie auf der Autobahn zugeht, konnte ich nicht ganz so gemütlich dahin rollen und mir die Landschaft ansehen. Glücklicherweise konnte ich kurz vor Varberg wieder auf die gutausgebauten Radwege wechseln, was ich auch für eine letzte Verschnaufpause vor dem Ziel nutzte. Die Wolkendecke hatte sich mittlerweile fast geschlossen und vereinzelte Regentropfen fielen auch schon vom Himmel. Also zog ich schnell den Regenschutz über Rucksack und Gepäck und radelte tapfer weiter.
Als ich, meiner Meinung nach, schon längst in Varberg hätte sein müssen hielt ich nochmal an um mich nach dem Weg zu erkunden. Zwei Schweden wiesen mir den Weg über eine Hügelkuppe ins Landesinnere. Mit einem Blick auf die Steigung war das nicht unbedingt die Antwort die ich hören wollte, aber es nützte nichts. Also nahm ich den Hügel in Angriff und hielt die Augen offen nach Übernachtungsmöglichkeiten. Kurz vor dem höchsten Punkt sah ich ein Hinweisschild auf einen Campingplatz, dem ich folgte. Die Schilder führten mich in einem kleinen Bogen zurück auf den Kattegattleden, wo ich ein Schild fand, das mir Varberg in 2 km Entfernung anpries. Ich bin mir bis heute nicht ganz sicher, wer falsch gelegen hat, die beiden Schweden oder ich, jedenfalls hatte ich nochmal einen feinen kleinen Umweg hingelegt und radelte nun bei leichtem Nieselregen auf Varberg zu.
Auf dem Marktplatz suchte ich anhand eines Stadtplans nach einem Hotel, denn die Nacht versprach nicht trocken zu bleiben. Und Regen, der die ganze Nacht auf das Zelt trommelt, ist nicht gerade das, was man zum Einschlafen braucht. Ich fand ein kleines günstiges Bed and Breakfast in einer Seitenstraße und radelte dorthin. Die Gegend sah ein wenig zwielichtig aus, was sich beim Betreten des Bed and Breakfast auch bestätigte. Der Check-In war nur telefonisch möglich und die beiden Gäste, die sich im Treppenhaus anblafften, machten mir schnell klar, dass ich lieber woanders übernachte. Also schwang ich mich schnell wieder aufs Rad und radelte noch ein paar Kilometer zu einem Campingplatz außerhalb der Stadt. Es hatte zwar kurzzeitig aufgehört zu nieseln, aber die Wolken machten keinen Anschein abziehen zu wollen. Also fragte ich am Campingplatz nach einer überdachten Unterkunft und bekam eine kleine, günstige Hütte zugewiesen. Preislich wie das Bed and Breakfast, aber wesentlich freundlicher und für mich alleine.
Nach einer Dusche und einem kleiner Ausflug zum Supermarkt hatte ich noch ein kleines Abendbrot, bzw. schon das Frühstück für den kommenden Tag eingesammelt und konnte mich nun auf meine kleine aber feine Terrasse setzen und mein Reisetagebuch füllen. Inklusive des kleinen Umwegs kurz vor Varberg standen wieder stattliche 110 km auf dem Tacho meines Fahrradcomputers und dementsprechend müde legte ich mich auch bald ins Bett. Das Einschlafen war kein Problem, denn der Campingplatz war der ruhigste den ich in Schweden gefunden habe. Es stand zwar alles voll mit Campern und Wohnmobilen, aber scheinbar waren die nur am Wochenende bewohnt.
© nxcalibur, a.k.a. DER gÖTTERGATTE
„Entweder liebst du es, dahinzuflitzen und die Landschaft an dir vorrübersausen sehen, oder nicht. Und wenn du es liebst, gibt es nicht vieles, was dir den Gedanken, mit deinem Rad unterwegs zu sein, verderben kann.“ – Keith Mills