Dienstag, 04.06.2019. Es herrschte eine unheimliche Stille auf dem Campingplatz, die nur gelegentlich von einer schreienden Möwe unterbrochen wurde. Niemand zu sehen. Niemand zu hören. Ich hatte den Eindruck, ich wäre alleine auf dem Campingplatz. Vorsichtig öffnete ich die Tür und ging, mich immer wieder umsehend, zum Waschraum. Als ich später auf meiner kleinen Terrasse saß und frühstückte kamen vereinzelt ein paar Hundebesitzer vorbei. Gegen 9 Uhr habe ich mein Fahrrad getrocknet, die Sachen verstaut und meine kleine Hütte sauber hinterlassen. Ich schiebe mein Rad zur Rezeption, checke aus und radle nochmal zum nahegelegenen Supermarkt um mir etwas Obst und Wasser zu holen.
Rückwärts Marsch!
Erstmal geht es zurück nach Varberg. Denn als ich am Abend zuvor auf die Stadt zu rollte, war mir bei dem Nieselregen nicht nach Fotos machen und kurz vor der Stadt bot sich noch ein toller Blick auf die alte Festung Varberg und den Radweg. Also nahm ich diesen Umweg gerne in Kauf. Die Regenwolken der Nacht hatten sich größtenteils verzogen und die restlichen Wolken wechselten sich mit der Sonne am Himmel ab. Etwa eine halbe Stunde radelte ich bis zum Aussichtspunkt vor der Festung und knipste ein paar Erinnerungsbilder.
Dann ließ ich mich Radweg wieder hinabrollen, wich einer Schulklasse aus, die ein öffentliches Schwimmbad stürmte, und radelte einmal um die Festung herum. Dort fotografierte ich auch noch das dahinterliegende Badehaus. Außer mir waren auch noch zwei Radlerinnen auf die Festung und das Badehaus aufmerksam geworden und als ich anbot sie gemeinsam zu fotografieren, kamen wir kurz ins Gespräch, bis sich unsere Wege wieder trennten.
Endlich Postkarten
Vom Hafen in Varberg fuhr ich zum Marktplatz, an dem mittlerweile die Touristeninformation geöffnet hatte und bekam eine paar hübsche Postkarten, die ich anschließend sofort schrieb und einwarf. Dann konnte ich meinen eigentlichen Weg endlich wieder aufnehmen. Es war, wie eigentlich alle Tage bisher, nicht zu warm und auch der Wind hatte fast komplett nachgelassen.
So trieb ich mein Fahrrad unermüdlich weiter gen Norden. An diesem Tag waren wieder ein paar mehr Hügel dabei und einige laaange Radwege die parallel zu Zugstrecken liefen. Aber gerade auf der ersten Hälfte der Strecke gab es auch viele ruhige Ecken mit tollen Ausblicken, oder Einblicken in die Landschaft.
Industrie und Natur so nah beieinander
Nachdem ich kurz vor Mittag zunächst auf eine große Papierherstellungsfabrik zugefahren war, und der Radweg erst wenige Meter vor dem Werksgelände abbog, radelte ich kurz darauf durch ein verschlafenes Fischerdörfchen. Hunger verspürte ich hier noch nicht, also fuhr ich einen Bogen durch den Hafen und folgte munter weiter dem Kattegattleden. Die zweite Tageshälfte der Etappe führte dann wieder öfter ans Meer, bzw. blieb der Radweg öfter in Sichtweite des Meeres als am Vormittag. Nachdem ich das nächste große Naturreservat passiert hatte, hielt ich erneut auf ein großes Werksgelände zu. Dort wird allerdings kein Papier hergestellt sondern Strom.
Auch hier führte der Radweg schnurstracks auf das Werksgelände zu und erst als ich fast schon das weiße in den Augen der Wachleute sehen konnte, bog der Radweg erneut rechts ab und führte mich um das Gelände des Kernkraftwerkes Ringhals herum. Also mehr durch die Unterkünfte der Mitarbeiter hindurch, als daran vorbei, aber ich war doch sehr überrascht wie nah man an die Anlage herankommt. Auch das sehr viele Schweden scheinbar sehr locker damit umgehen und in unmittelbarer Nähe ihre Wochenendhäuschen und Gärten angelegt haben. Wenn ich daran denke wie vehement darum gestritten wird, die deutschen Kernkraftwerke zu schließen. Der schwedischen Natur in der Umgebung scheint es nicht negativ zu bekommen.
Im Gegenteil, Hasen, Rehe und auch Schlangen (eine lag sogar mitten auf dem Radweg) leben dort ganz ungestört. Naja, also die Schlange fühlte sich wohl doch etwas gestört, denn nachdem sie erst den Kopf nach mir drehte, verschwand sie im Gebüsch am Wegesrand. Vielleicht auch besser. Von da an ging es wieder am Meer, oder zumindest in dessen Nähe, weiter nach Kungsbacka. Die Strecke vor Kungsbacka ist auch wieder von einigen Bergen geprägt. Deshalb gönnte ich mir zur Stärkung ein spätes Mittagessen, bevor ich die letzten Berge hinter Kungsbacka in Angriff nahm.
Auf und ab ging der Kattegattleden…
… auf dem Weg nach Gottskär und so strampelte ich fleißig die Wege hoch und erholte mich beim bergab rollen wieder. Kurz hinter Gottskär schaffte ich es doch tatsächlich nochmal einen Abzweig des Kattegattleden zu verpassen. Zum Glück ging es an der Stelle bergauf, so dass ich nur wenige hundert Meter zu weit fuhr und der Rückweg war, dank bergab rollen sehr leicht. Das war auf der gesamten Strecke auch der einzige Punkt an dem ein Hinweisschild für einen Abzweig fehlte. Alle anderen Abzweige, Weggabelungen und sonstige Richtungsweiser waren einwandfrei und problemlos zu finden.
Tagesziel erreicht
Die letzten fünf Kilometer folgte ich dem Verlauf einer Landstraße. Dort war aber nicht so viel los. So konnte ich in Ruhe nach dem Abzweig zu meinen Ziel, dem Rörviks Campingplatz, Ausschau halten und erreichte diesen gegen 17 Uhr. Die Rezeption war leider nicht besetzt. Dort war nur eine Telefonnummer angegeben, bei der ich mein Glück versuchte. Während ich versuchte der schwedischen Mailboxansage eine nützliche Information zu entnehmen, erreichte auch ein weiterer Radfahrer den Campingplatz. Schnell stellte sich heraus, dass er ebenfalls aus Deutschland war. Kurz darauf erschien der Sohn der Besitzer, der zuvor noch mit seinem kleinen Rasenmähertraktor auf dem Gelände rumgekurvt war, und wies uns den Weg zum Bereich für die Zelte.
Nachdem meine Dackelgarage aufgebaut war, verstaute ich meine Taschen darin, schnappte mir mein Handtuch und radelte nochmal zum Strand. Es war zwar kein karibischer Sandstrand, sondern eher die typisch schwedische Uferlandschaft mit riesigen Felsen. Die tiefstehende Sonne schien mir ins Gesicht als ich auf einem der Felsen am Ufer Platz nahm und dem leisen Plätschern der Wellen zuhörte. Bis auf ein Pärchen, dass einige Meter weiter auf einem anderen Felsen saß, war dort niemand weiter. Trotzdem wanderte ich noch ein wenig umher und suchte mir noch ein höher gelegenes Fleckchen um den Ausblick über die kleine Bucht genießen zu können. Dabei verspeiste ich mein letztes Obst als Abendbrot und lauschte der Stille an diesem friedlichen Plätzchen.
Letzte Nacht in der Dackelgarage
Auch wenn die Sonne immer tiefer sank, war von einem Sonnenuntergang noch weit und breit nichts zu sehen. So weit oben im Norden geht die Sonne Anfang Juni natürlich erst spät, also gegen 22 Uhr, unter. So lange wollte ich nach den 105 km Fahrradfahren des Tages nicht warten. Also nutzte ich die Gelegenheit um nochmal baden zu gehen und fuhr anschließend zurück zum Campingplatz. Dort hatte sich neben dem Zeltbereich das halbe Dorf versammelt und die Kinder tobten lauthals durch die Gegend. Nach dem extrem ruhigen Campingplatz vom Abend zuvor war das sehr ungewohnt. Also war an Schlafen noch nicht zu denken. Darum schnappte ich mir mein Reisenotizbüchlein und füllte es mit den Erlebnissen des Tages auf einer kleinen Bank. Als ich fertig war, brachen auch die Schweden auf und der Campingplatz fiel zurück in seine gewohnte Ruhe. Also kroch ich in meine Dackelgarage und schlief im Schatten eines großen Baumes bald ein.
© nxcalibur, a.k.a. DER gÖTTERGATTE
„Beim Radfahren lernt man ein Land am besten kennen, weil man dessen Hügel empor schwitzt und sie dann wieder hinuntersaust.“ (Ernest Hemingway, US-amerikanischen Schriftsteller, 1899 – 1961)